In Deutschland leiden Schätzungen zufolge zwischen 10 und 15 % der Kinder an Neurodermitis – Tendenz steigend. Bei einem Teil der Betroffenen kommt es auch im Erwachsenenalter immer wieder zum schubartigen Auftreten der unangenehmen Symptome mit Ekzemen, trockener Haut und starkem Juckreiz. Doch wie entsteht die Erkrankung eigentlich? Welche Risikofaktoren gibt es? Wieso kommt es bei manchen Betroffenen immer wieder zu Schüben und bei anderen nicht - trotz Therapie?
Neurodermitis, auch atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis genannt, gehört zu den häufigsten chronischen Hauterkrankungen und ist vor allem in Industrieländern weit verbreitet. Bislang sind die genauen Ursachen der atopischen Dermatitis noch nicht vollständig geklärt. Es wird von einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren ausgegangen, von denen viele auch bereits bekannt sind. Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den einzelnen Auslösern und welchen Einfluss verschiedene Triggerfaktoren auf die chronische Hautkrankheit haben.
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Man geht davon aus, dass die Erkrankung durch eine Kombination aus genetischen Faktoren und bestimmten Umwelteinflüssen ausgelöst wird. Anders als bei klassischen Erbkrankheiten spricht man beim atopischen Ekzem demnach eher davon, dass eine genetische Veranlagung vererbt wird, die das Risiko an einer Neurodermitis zu erkranken erhöht.
Für die genetische Komponente in der Krankheitsentstehung sprechen eine Reihe von Studien, in denen unter anderem ein gehäuftes Auftreten innerhalb betroffener Familien beobachtet wurde. Diese haben beispielsweise gezeigt, dass bei eineiigen Zwillingen deutlich häufiger beide Geschwister betroffen sind als bei zweieiigen Zwillingen.
Neurodermitis ist außerdem eng mit weiteren Erkrankungen des atopischen Formenkreises wie Asthma oder Heuschnupfen assoziiert. Leiden beide Elternteile an einer dieser Erkrankungen, ist das Risiko für das Kind, ebenfalls an der gleichen Krankheit zu leiden, am höchsten. Je nach Literatur beträgt das Risiko für diese Kinder zwischen 60 und 80 %.
Zudem wurden eine Reihe Mutationen und genetischer Veränderungen gefunden, die mit einem erhöhten Risiko, an einer Neurodermitis zu erkranken, in Verbindung gebracht werden. Diese spielen beispielsweise in der geschädigten Barrierefunktion der Haut eine zentrale Rolle.
Neueste Studien beschäftigen sich außerdem mit dem Einfluss verschiedener Allergene und mikrobieller Faktoren (Hautflora) auf die Entstehung des atopischen Ekzems.
Das atopische Ekzem gehört zu den chronischen, nicht-infektiösen Hauterkrankungen, sprich die Krankheit wird primär nicht durch bestimmte Erreger von außen ausgelöst, sondern ist eine chronische Entzündung der Haut. Bei entzündlichen Prozessen im Körper ist immer das Immunsystem beteiligt. Bei der Neurodermitis ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, wie es zu der überschießenden Immunantwort kommt.
Bei Autoimmunerkrankungen beispielsweise werden bestimmte körpereigene Zellen fälschlicherweise als schädlich erkannt und angegriffen. Je nach Art der Zelle kommt es dadurch zur Schädigung unterschiedlicher Organe. Auch bei der Neurodermitis wird eine autoimmunologische Komponente diskutiert. Entsprechende Fragen sind Gegenstand aktueller Studien und werden dort genauer untersucht.
Auch bei allergischen Erkrankungen wie dem Heuschnupfen kommt es zu einer fehlerhaften Reaktion des Abwehrsystems. In diesem Fall werden zwar keine körpereigenen Zellen angegriffen, jedoch reagiert das Immunsystem fälschlicherweise auf eigentlich harmlose allergieauslösende Stoffe wie Pollen oder bestimmte Inhaltsstoffe von Lebensmitteln mit einer überschießenden Antwort. Die Folge sind typische Symptome wie z. B. rote, tränende Augen, Juckreiz oder eine laufende Nase bei Heuschnupfen.
Vermittelt werden diese Reaktionen durch verschiedene Stoffe und Abwehrzellen. Dazu gehören auch bestimmte Antikörper, das sogenannte Immunglobulin E oder kurz IgE. Beim atopischen Ekzem werden zwei Formen unterschieden: die deutlich häufigere extrinsische, IgE-vermittelte Form und die intrinsische, nicht durch IgE-vermittelte Form. Die Neurodermitis ist zwar keine Allergie, es gibt aber offensichtlich Parallelen in der immunologischen Antwort.
Mehr Informationen zum allgemeinen Krankheitsbild der Neurodermitis lesen Sie hier: Neurodermitis: Ursachen, Symptome und Behandlung
Nein, im Zusammenhang mit Neurodermitis spricht man nicht von einer Immunschwäche. Genauer gesagt würde man sogar eher von einer Überreaktion des Immunsystems sprechen. Hier kommt es durch noch nicht vollständig geklärte Mechanismen zu einer überschießenden Aktivierung des Immunsystems, die zu den typischen Symptomen wie trockener Haut und Juckreiz führt.
Was jedoch bei der Neurodermitis geschwächt ist, ist die Hautbarriere. Die Haut hat eine wichtige Schutzfunktion für den Körper: Sie schützt vor dem Austreten von Feuchtigkeit von innen und dem Eindringen schädlicher Einflüsse von außen. Bei sehr trockener oder zu Ekzemen neigender Haut kommt es zu Schädigungen innerhalb der Hautbarriere. Dadurch wird diese durchlässiger und die Schutzfunktion nimmt ab.
Hier lesen Sie mehr über die geschädigte Hautbarriere und die typischen Symptomen bei atopischer Dermatitis: Symptome und typische Hautstellen von Neurodermitis
Triggerfaktoren sind ein sehr individuelles Thema und können zwischen den einzelnen Erkrankten stark variieren. Daher sollten Betroffene immer selbst auf spezielle Neurodermitis Auslöser achten, die zu einem Schub also einer akuten Verschlechterung des Hautzustandes führen.
Die möglichen Ursachen können dabei sehr vielfältig sein. Zu den häufigen Auslösern gehören folgende Triggerfaktoren:
Hautirritationen: Folgende Faktoren schwächen die Hautbarriere zusätzlich und können das Auftreten der typischen Ekzeme und Juckreiz begünstigen:
Allergenexposition: Bei Kontakt mit Allergenen bei einer bekannten Allergie (z. B. Gräser und Pollen bei Heuschnupfen, Nüssen bei Nussallergie oder auch Schimmel) können sich auch Neurodermitis-Beschwerden verschlechtern bzw. kann ein Schub ausgelöst werden.
Stress: Psychischer Stress privater oder beruflicher Natur wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus.
Hormonschwankungen: Hormonelle Umstellungen (z. B. während der Schwangerschaft, Pubertät oder den Wechseljahren) wirken sich auch auf den Hautzustand aus.
mikrobielle Faktoren: Bei Neurodermitikern bzw. Menschen mit atopischen Erkrankungen (Asthma, Heuschnupfen) wird übermäßig häufig eine Besiedelung der Haut mit dem Erreger Staphylococcus aureus beobachtet. Die Infektion wird durch die geschädigte Hautbarriere begünstigt und die daraus resultierende Entzündung schwächt die Barriere zusätzlich. Welchen Einfluss die Hautflora auf diese Prozesse und die Entstehung der typischen Ekzeme hat, wird derzeit in vielen Studien genauer untersucht.
Übergewicht: Bei Menschen mit Adipositas (Übergewicht) werden chronische Entzündungsprozesse als Ursache einer Reihe von Folgeerkrankungen angesehen. In diesem Zusammenhang wird auch ein negativer Einfluss auf den Hautzustand vermutet.
Alkohol- und Tabakkonsum: Rauchen und Alkoholgenuss sind Beobachtungen zufolge mit einer Verschlechterung der Erkrankung assoziiert und sollten daher vermieden werden.
Die Vermeidung der individuellen Triggerfaktoren ist ein wichtiger Bestandteil in der Therapie. Betroffene sollten besonders sorgfältig auf eine gute Hautpflege achten. Duftstoffe, scharfe Seifen und Pflege- bzw. Reinigungsprodukte mit reizenden Inhaltsstoffen sollten unbedingt vermieden werden, um die gestörte Hautbarriere nicht zusätzlich zu schädigen. Die richtige Hautpflege ist entscheidend für den langfristigen Behandlungserfolg.
Wie die Therapie aufgebaut ist und worauf es bei der Behandlung besonders ankommt, lesen Sie hier: Behandlung von Neurodermitis und zu Neurodermitis neigender Haut
In den letzten Jahren gab es einen deutlichen Anstieg der Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis (z. B. Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis) – vor allem in den Industrieländern. Zur Erklärung dieses Phänomens werden verschiedene Theorien diskutiert, eine davon ist die sogenannte „Hygiene-Hypothese“.
Grundgedanke dieses Models ist die Annahme, dass der „westliche Lebensstil“ das Auftreten von Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis begünstigt. Ein zentraler Punkt ist dabei, dass Kinder zunehmend weniger in der Natur aufwachsen. Außerdem spielen die veränderte Ernährung mit mehr industrialisiert hergestellten Nahrungsmitteln und die veränderten Wohnverhältnisse eine zentrale Rolle in dieser Hypothese. Vereinfacht gesagt ist damit gemeint, dass das Immunsystem von Kindern in Industrieländern durch die Veränderungen weniger „trainiert“ wird als früher.
Bislang konnte die Hygiene-Hypothese wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen werden und bleibt somit weiterhin umstritten. Sie gilt jedoch als eine der derzeit plausibelsten Theorien zur Erklärung des plötzlichen Anstiegs der Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis.
Psychischer Stress ist nicht die alleinige Ursache der Erkrankung, kann aber das Auftreten eines Schubs triggern. Stress, ob beruflicher oder privater Natur, wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus und kann auch zu einer Verschlechterung bestehender Hautbeschwerden wie den typischen Ekzemen und dem begleitenden Juckreiz führen.
Die genauen Mechanismen hinter diesem Phänomen sind noch nicht eindeutig geklärt. Dass psychischer Stress zu einer Verschlechterung bei chronischen Erkrankungen führen kann, wird jedoch häufig beobachtet.
Auch hier gilt, wie beim psychischen Stress, dass Neurodermitis nie allein durch einen Faktor, also beispielsweise durch bestimmte Lebensmittel ausgelöst wird. Allerdings kann der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel zum Auftreten eines Schubs oder zu einer Verschlechterung bestehender Symptome wie Juckreiz und trockene Haut führen. Das betrifft vor allem Neurodermitiker, die an Lebensmittelallergien leiden.
Man schätzt, dass etwa jedes zweite von Neurodermitis betroffene Kind gleichzeitig an bestimmten Nahrungsmittelallergien leidet. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass es deshalb zu einem schwereren Krankheitsverlauf kommt. Dennoch werden Betroffene nach der Diagnose in der Regel auch auf verschiedene Allergien hin untersucht.
Bei in der Kindheit diagnostizierten Allergien ist es sinnvoll, diese im Verlauf als Erwachsener erneut zu überprüfen. Hintergrund ist die sogenannte Toleranzentwicklung. Gemeint ist damit, dass Unverträglichkeiten – vor allem bei Nahrungsmitteln – oftmals selbstlimitierend sein können und nur vorübergehend im Kindesalter und nicht bei Erwachsenen bestehen.
Eine pauschale Diät für Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut gibt es nicht. Triggerfaktoren, darunter auch bestimmte Lebensmittel, sind sehr individuell und können nicht generalisiert werden. Anders gesagt, nicht jeder Neurodermitiker reagiert auf Haselnüsse oder Milch mit einem Schub. Von generellen, weit verbreiteten Diät-Empfehlungen, dass auf Milch, Eier, Soja oder Nüsse verzichtet werden soll, ist daher abzuraten.
Viel zielführender ist es für Betroffene ein Symptom-Tagebuch zu führen. Dadurch können ein zeitlicher Zusammenhang zwischen bestimmten Mahlzeiten und Neurodermitis-Schüben hergestellt und so individuelle Triggerfaktoren identifiziert werden.
Neurodermitis kann grundsätzlich in jedem Alter auftreten, also auch bei Erwachsenen. In den meisten Fällen beginnt die Krankheit jedoch im frühen Kindesalter. Bei etwa der Hälfte der Erkrankten tritt Neurodermitis innerhalb der ersten sechs Lebensmonate und bei 70–80 % bis zum fünften Lebensjahr auf.
Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen verschwinden die Symptome als Erwachsener wieder. Das Risiko auch im Erwachsenenalter an den typischen Ekzemen zu leiden, steigt mit folgenden Faktoren:
Warum Neurodermitis vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter auftritt, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Als gesichert gilt, dass Stillen das Risiko reduziert.
Die Ursachen der Hauterkrankung sind bislang nicht eindeutig geklärt. Man geht von einem multifaktoriellen Mechanismus hinter der Krankheitsentstehung aus. Hier spielen neben genetischen Veranlagungen auch Umwelteinflüsse eine zentrale Rolle. Das Zusammenspiel führt zu einer gestörten Hautbarriere. Dadurch wird schädlichen Erregern und Substanzen von außen das Eindringen erleichtert. Die Folge sind Entzündungen in der Haut, die die Schutzbarriere weiter schwächen – es entsteht ein Teufelskreis.
__Hautpflege als zentraler Bestandteil der Therapie __
Ein zentraler Bestandteil der Therapie ist daher die Vermeidung der Triggerfaktoren. Ebenfalls entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung ist die richtige und tägliche Hautpflege. Diese sollte die Haut bei der Regeneration unterstützen und die natürliche Hautbarriere stärken bzw. wiederherstellen.
Mehr dazu lesen Sie hier: Behandlung von Neurodermitis und zu Neurodermitis neigender Haut
Ja, das atopische Ekzem kann prinzipiell jederzeit auftreten. In den meisten Fällen beginnt die Erkrankung jedoch im frühen Kleinkindalter bis zum fünften Lebensjahr. Aber auch ein Beginn bei Erwachsenen ist möglich. Bei einem Teil der betroffenen Kinder verschwinden die Symptome wie trockene Haut und Juckreiz bis zum frühen Erwachsenenalter, bei vielen treten die Symptome jedoch zumindest schubweise auch bis ins hohe Erwachsenenalter immer wieder auf.
Neurodermitis kommt zudem häufig bei Menschen mit anderen Erkrankungen aus dem sogenannten atopischen Formenkreis vor. Damit sind beispielsweise Krankheiten wie Asthma oder Heuschnupfen gemeint. Bei Betroffenen ist dann auch das Risiko für zu Neurodermitis neigender Haut erhöht.
Die Erkrankung an sich, nein, – ein Schub, ja. Stress und andere psychische Faktoren können zu einer Verschlechterung der Symptome bzw. zum Auftreten eines Schubs bei bestehendem atopischen Ekzem führen.
Die Erkrankung an sich wird jedoch durch das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren ausgelöst und ist niemals nur allein psychisch bedingt. Die Reduktion von Stress bzw. von schubauslösenden Faktoren ist jedoch wichtig für die Behandlung. Die Therapie fokussiert sich daher nicht allein auf die Haut, sondern immer auch auf die Triggerfaktoren. Ist die psychische Belastung sehr hoch, sollte bei Betroffenen auch eine Behandlung der psychischen Beschwerden in Betracht gezogen werden.
Studium:
Universitätsklinik Marburg
Ludwig-Maximilians-Universität in München
Berufliche Stationen:
Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag
Studium:
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn-Universität in München
Berufliche Stationen:
Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung
Quellen:
Leitlinie Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis], Entwicklungsstufe: S2k, [ICD 10: L20.8, L20.9, L28.0], AWMF-Registernummer: 013-027
The Role of Leukocytes, Keratinocytes, and Allergen-Specific IgE in the Development of Atopic Dermatitis. In: Journal of Investigative Dermatology. Band: 129, Nummer: 8, 2009, doi: 10.1038/jid.2009.71.| Open in Read by QxMDp.1878-1891
Ring, Johannes. Neurodermitis-Atopisches Ekzem. Georg Thieme Verlag, 2011.
Heratizadeh, Werfel: Prävention der atopischen Dermatitis. In: Monatsschrift Kinderheilkunde. Band: 163, Nummer: 10, 2015, doi: 10.1007/s00112-015-3341-8